Skandal im Literaturbetrieb. Hoch
gelobt und tief verdammt schlägt Christian Krachts neuer Roman „Imperium“
Wellen.
Ist es Humor? Darf es Humor sein?
Ist es stilistische Distanz zur Gegenwart? Darf es das sein? Oder ist es
rassistisch? Fragen, die sich der Leser des „Imperiums“ hin und wieder stellen
mag, ohne sich einer Antwort sicher zu sein. Fragen, die nicht unbegründet
gestellt werden. Doch worum geht es genau?
Zu Zeiten des tiefsten Kolonialismus
sucht der „Vegetarier, Bartträger und Nudist“ August Engelhardt fliehend vor
der Zivilisation seine Bestimmung in der Südsee. Dort will er eine
Kokosnussplantage aufbauen und einen „Sonnenorden“ gründen, dessen Mitglieder,
wie er selbst, sich nur von der Kokosnuss ernähren sollen, da diese die Krönung
der Schöpfung, die einzige reine Pflanze sei und somit - das steht für
Engelhardt außer Frage- göttlich sein muss. Nach dem Erwerb der Insel Kabakos,
scheint sein Glück zum greifen nah, die freundlichen „Wilden“ arbeiten hart und
verzichten darauf vor ihrem neuen „Herren“, der optisch mit Jesus verglichen
wird, Fleisch zu essen und Tiere zu töten; sogar der ein oder andere Weggefährte
findet sich unterwegs, wenn auch meist kurzzeitig. Doch das Blatt wendet sich
und Engelhardt verfällt schleichend dem Wahnsinn. Was mit einem meditativen
Daumenlutschen beginnt, entwickelt sich zu einer ausgewachsenen Psychose, die
durch die fortschreitende Lepra noch unterstützt wird. Bis Engelhardt die Erkenntnis
ereilt: Menschenfleisch ist die einzige reine Nahrungsquelle.
„Imperium“ spielt größtenteils zu
Zeiten Kaiser Wilhelms II., an die sich Kracht stilistisch anscheinend anzupassen
versucht. Durch die komplexen Satzstrukturen und den inflationären Gebrauch von
Fremdwörtern, erinnert es jedoch an eine krampfhafte Bemühung Thomas Manns
Werken nachzueifern. Leider wirkt sich das nicht zugunsten der durchaus interessanten
Geschichte aus. Auch wenn der Autor versucht – zusätzlich durch den Gebrauch
der alten Rechtschreibung – dieses Buch den Geist der Zeit atmen zu lassen,
liefert dies keine Entschuldigung dafür, dass scheinbar objektiv ein Vokabular
benutzt wird, welches im beginnenden zwanzigsten Jahrhundert zwar gebräuchlich
war, heute jedoch rassistisch gewertet wird. Von „barbusigen Negermädchen“,
„Wilden“, die nur „Kauderwelsch“ sprechen und „Kanakenkindern“ ist die Rede,
Wörter, die nur noch kursiv oder in Anführungsstrichen auftauchen sollten.
Damit nicht genug, die auftretenden Figuren wirken karikiert und klischeebehaftet.
So trifft Engelhardt auf Govindarajan, der optisch schon dadurch hervorsticht,
dass seine Haut blauschwarz ist und die Haare aus seinen Ohren wie
„Blumenkohlröschen“ hervorgucken. Zwar begegnen sich beide auf Augenhöhe,
verbunden durch ihre auf Früchten basierende Ernährung, doch schon kurz darauf
stellt sich Govindarajan als gemeiner Dieb und Betrüger heraus.
Glücklicherweise verläuft sich diese rassistische Tendenz im Laufe der
dreiteiligen Geschichte. Mit gutem Willen ist sie auf den historischen Stil zurückzuführen,
dennoch wäre vielleicht ein vorwarnendes Vorwort oder ein erklärendes Nachwort
des Autors wünschenswert gewesen, hierdurch wäre dem Leser ein
Orientierungspunkt gegeben worden. Doch auch die Umschweife und komplex
geschachtelten Gedankenexkursionen, die leider durchgängig auftreten, schränken
das Lesevergnügen ein.
Wer also mit einer gewissen Distanz an dieses Werk
herangeht, wird sich an der unglaublichen und wahnsinnigen Geschichte des teils
historischen, teils fiktiven August Engelhardt erfreuen. Doch ob man wirklich
den Kampf mit diesem Buch aufnehmen möchte, bleibt jedem selbst überlassen.
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